Die Walz
Kluft, Stenz und Charlottenburger
Die Tradition der Walz hat ihren Ursprung im Mittelalter und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Anfangs noch freiwillig, nahm die Wanderschaft während des 15. Jahrhunderts einen immer größeren Stellenwert ein.
So stellte sie in einigen Gewerken die Voraussetzung zur Aufnahme einer Meisterausbildung dar. Während dieser Zeit galten Handwerksmeister*innen als angesehene Bürger*innen und genossen viel Prestige. Die Organisation der Handwerker*innen in Zünften trug weiter zum Schutz des jeweiligen Handwerks bei, brachte aber auch strenge Zunftordnungen mit sich. Um diesen etwas entgegensetzen zu können, schlossen sich die Wandergesell*innen zu Gesellenverbindungen zusammen. Diese werden – heute wie damals – als Schächte bezeichnet. Die Gesellenverbindungen fungierten als Interessenvertretung der Wandergesell*innen und boten außerdem soziale Absicherung. Somit brachte die Mitgliedschaft in einem solchen Schacht zwar durchaus Vorteile mit sich, die Wanderschaft war allerdings auch als unabhängig Reisende*r möglich. Bis heute ist der Großteil der weiblichen Wandergesell*innen auf diese Art und Weise unterwegs, da nur wenige der Schächte Frauen die Mitgliedschaft ermöglichen.
Krisenzeiten erlebte die Walz während des ersten und zweiten Weltkrieges. Auch zu DDR-Zeiten war Gesell*innen die Wanderschaft untersagt, allerdings blieben die Strukturen im Geheimen erhalten. So konnte die Tradition auch über diese Zeiten hinweg erhalten werden. Den damaligen Gesell*innen ist es zu verdanken, dass ihre Kolleg*innen heute wieder unbeschwert und frei auf Wanderschaft gehen können.
„Ich denke, das ist eine großartige Geschichte.“
Wir haben Künstler der dialogus exhibition nach ihren Erfahrungen bezüglich der Walz befragt. Hören Sie hier, welchen Ratschlag Paula von Roland Lindner bekommen würde oder wie Jesko Lange über die Möglichkeiten der Walz denkt.
Kleidung
Heute wie damals lassen sich Wandergesell*innen an ihrer typischen Kluft erkennen. Diese besteht stets aus Hemd, Weste, Jackett, Zunfthose mit Schlag und Hut. Die Farbe der Kluft variiert und lässt Rückschlüsse auf das jeweilige Gewerk zu. Zusätzlich tragen die Gesell*innen einen Wanderstock bei sich, welcher als Stenz bezeichnet wird. Mitglieder der einzelnen Männerschächte lassen sich außerdem am Schlips erkennen, welcher je nach Schacht eine andere Farbe besitzt und dem Begriff „Ehrbarkeit“ bekannt ist. Charakteristisch für alle reisenden Gesell*innen ist außerdem der sogenannte Charlottenburger. Dieser bezeichnet ein oder mehrere Tücher, in welche das Gepäck der Reisenden eingewickelt wird.
Regeln
Während der Wanderschaft müssen einige Regeln befolgt werden. Diese sind mitunter von Schacht zu Schacht verschieden, gleichen sich aber in den wichtigsten Aspekten. So gibt es stets eine definierte Mindestdauer der Walz, oft handelt es sich dabei um eine Reisezeit von drei Jahren und einem Tag. Während dieser Zeit dürfen sich die Wandergesell*innen ihrem Heimatort nicht auf mehr als 50 km nähern und kein Geld für Unterkunft oder Transport zahlen. Auch ein eigenes Handy oder ein anderes Gerät mit Internetzugang dürfen die Gesell*innen während ihrer Wanderschaft nicht dabei haben. Wichtig ist allerdings das Wandertagebuch, welches als treuer Begleiter der Reisenden gilt.