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Blockkrippe 2

 Victor Hermann    Mininga / ölhaltiges Mahagoni / rot gewachst    Tansania


Blockkrippe | Victor Hermann | Mininga / ölhaltiges Mahagoni / rot gewachst

Diese Skulptur ist eine Blockkrippe, gefertigt vom Künstler Victor Herrmann aus der ethnischen Gruppe der Makonde in Tansania. Sie besteht aus rot gewachstem Muningaholz und hat eine Höhe von 94 cm, eine Breite von 35 cm und eine Tiefe von 20 cm.

Die vorliegende Skulptur ist eine vertikal aufgebaute, aus einem massiven Holzblock gearbeitete Figurengruppe. Sie verbindet ein christliches Motiv mit einer klar erkennbaren afrikanischen Bildsprache und zeichnet sich durch eine stark narrative, gestaffelte Komposition aus.

Komposition und Gesamtaufbau

Die Skulptur ist als aufsteigende, säulenartige Form angelegt. Mehrere menschliche Figuren sind übereinander angeordnet und bilden eine visuelle Achse, die vom unteren Sockel bis zu einer markanten, nach oben ausgreifenden Spitze reicht. Diese vertikale Struktur erzeugt den Eindruck einer spirituellen Bewegung von der irdischen Ebene hin zum Transzendenten.

Die Figuren sind eng miteinander verbunden, sowohl körperlich als auch kompositorisch. Leerräume werden weitgehend vermieden, wodurch ein Eindruck von Gemeinschaft, Zusammenhalt und kollektiver Präsenz entsteht – ein zentrales Merkmal der Makonde-Schnitzkunst.

Darstellung der Hauptszene (Maria und das Jesuskind)

Im unteren Bereich der Skulptur befindet sich die zentrale christliche Szene: Maria sitzt oder kniet leicht nach vorne geneigt und hält das Jesuskind in ihren Armen. Ihre Haltung ist ruhig und schützend. Der Kopf ist leicht gesenkt, der Blick auf das Kind gerichtet. Die Gesichtszüge sind stilisiert, mit mandelförmigen Augen, betonter Stirn und klar konturierter Nase.

Das Jesuskind ist klein und eng an Maria gebunden. Seine Darstellung ist reduziert, jedoch eindeutig erkennbar. Die Geste vermittelt Geborgenheit und Ruhe, weniger das Wunderhafte als vielmehr die menschliche Nähe zwischen Mutter und Kind.

Begleitfiguren und narrative Erweiterung

Über und um die zentrale Marienfigur gruppieren sich mehrere weitere Figuren. Diese können ikonografisch als Hirten, Könige oder Zeugen der Geburt Christi interpretiert werden. Ihre Körperhaltungen – gefaltete Hände, geneigte Köpfe, nach innen gerichtete Blicke – deuten auf Verehrung, Staunen oder stilles Gebet hin.

Die Figuren sind unterschiedlich groß, jedoch nicht streng hierarchisch getrennt. Stattdessen entsteht ein organisches Gefüge, in dem jede Person Teil eines gemeinsamen Geschehens ist. Diese Darstellung betont das kollektive Erleben des Heilsgeschehens, im Gegensatz zu einer individualisierten Helden- oder Zentralfigur.

Oberer Abschluss und symbolische Spitze

Der obere Teil der Skulptur läuft in eine stark abstrahierte, spitz zulaufende Form aus, die an einen Baum, einen Flammenstrahl oder einen aufsteigenden Geist erinnern kann. Diese Form fungiert als symbolischer Abschluss und verweist auf:

• die Verbindung zwischen Himmel und Erde,

• göttliche Präsenz oder Führung,

• spirituelles Wachstum.

In der Makonde-Tradition besitzt der Baum häufig eine kosmologische Bedeutung als Achse zwischen den Welten, was hier überzeugend mit der christlichen Heilsgeschichte verschränkt wird.

Material, Technik und Oberfläche

Das verwendete Holz – vermutlich Ebenholz oder ein vergleichbar dichtes Hartholz – ist fein geschnitzt und sorgfältig poliert. Die Oberfläche weist einen warmen, rötlich-dunklen Glanz auf, der durch Alterung und Handhabung vertieft wurde. Werkzeugspuren sind teilweise sichtbar und verleihen der Skulptur Lebendigkeit sowie handwerkliche Authentizität.

Stilistische und ikonografische Einordnung

Die Skulptur steht exemplarisch für die Inkulturation christlicher Bildthemen in afrikanische Kunsttraditionen. Anstelle einer naturalistischen Darstellung treten:

• rhythmische Wiederholung von Figuren,

• starke Vertikalität,

• symbolische Verdichtung.

Maria erscheint nicht isoliert oder überhöht, sondern als Teil einer Gemeinschaft. Das Heilsgeschehen wird als kollektives, gesellschaftlich eingebettetes Ereignis verstanden.

 

Blockkrippe


Gebiet:

Größe (B × H × T): 35 cm × 94 cm × 20 cm

Entstehungsjahr: 2002

Exponatnummer: 00776